Kreative Wurzeln
Warum Kreatives Pionier-denken
Krefeld auszeichnet
und warum heute alle davon profitieren
Seit Jahrhunderten ist Krefeld eine von ihren Bürgern getragene Stadt. Während sich anderswo die Bevölkerung von Obrigkeiten sagen lassen musste, was sie zu tun und zu lassen habe, fühlten sich die Krefelder selbst für ihre Stadt verantwortlich. Während anderenorts Andersdenkende vertrieben wurden, wurden diese Menschen in Krefeld aufgenommen.
Für die zugewanderten mennonitischen Flüchtlinge bot das Toleranzversprechen der Oranier und später der Preußen die nötige Freiheit und Verlässlichkeit, um ihr textiles Handwerk auszuüben. So produzierte man in der Samt- und Seidenstadt folglich edle Stoffe und investierte in Kunst, Architektur und Design, während in der Umgebung die Schwerindustrie dominierte. Aufgrund dieser weitreichenden Gesinnungsfreiheit konnte eine bis dahin nicht gekannte avantgardistische Grundhaltung entstehen, die sich deutlich wahrnehmbar in einem speziellen Kultur- und Architekturverständnis äußert.
Stadt wie Samt und Seide wird erlebbar in einer ungeheuren architektonischen Kraft, die ihren vorläufigen Höhepunkt findet, als die Seidenindustriellen Lange und Esters den Avantgardearchitekten Ludwig Mies van der Rohe beauftragen, zwei repräsentative Villen an der Wilhelmshofallee zu bauen. In den 20er- Jahren des 20. Jahrhunderts wird durch das Wirken von Mies van der Rohe von Krefeld aus ein Stück Architekturgeschichte geschrieben. In der internationalen Architekturszene sind die Namen Mies van der Rohe und Krefeld heute untrennbar miteinander verbunden. Letztlich ist es aber „den Erben“ von Mies van der Rohe – von Egon Eiermann über Bernhard Pfau bis zu Behnisch Architekten – zu verdanken, die Geschichte der mutigen avantgardistischen Grundhaltung fortgeschrieben zu haben.
In der Krefelder Kulturszene wird diese Haltung nach dem Zweiten Weltkrieg insbesondere in der Ära des Museumsdirektors Paul Wember erlebbar. Er öffnet die Krefelder Kultur für die zeitgenössische Kunst und sorgt für einen intensiven intellektuellen Diskurs, der die lokale Befindlichkeit oft überfordert, aber eben Voraussetzung dafür ist, dass Künstler wie Yves Klein, Jean Tinguely, Robert Rauschenberg und Christo in Krefeld wirken. So legt Samt und Seide den Grundstein für ein unabhängiges, experimentelles und qualitätsorientiertes Krefelder Kunst- und Kulturverständnis.
Damit nicht genug der durch Samt und Seide freigesetzten innovativen Energie. Mit der sogenannten Kunstgewerbeschule, später Werkkunstschule, wird dem Bedarf an kreativen Designs für die unterschiedlichen Einsatzbereiche der Samt- und Seidenprodukte Rechnung getragen. Persönlichkeiten wie Jil Sander, Markus Lüpertz, Peter Lindbergh oder Horst Eckart (Janosch), aber auch der Kunst- und Glasmaler Jan Thorn Prikker haben in Krefeld gelehrt bzw. gelernt.
Die Kunstgewerbeschule kann zu Recht als ein wegbereitendes Element für eine Kreativbranche beschrieben werden, die heute einen nicht mehr wegzudenkenden Teil in vielen Wirtschaftsbranchen ausmacht und von der zunehmend Impulse für eine moderne Stadtentwicklung ausgehen. Das jüngste Engagement der Montag Stiftung in der südwestlichen Innenstadt, das gemeinwohlbezogen mit neuen Wohn- und Arbeitskonzepten experimentiert und insbesondere kreative Krefelder Szene ins Auge fasst, ist da wie ein i-Tüpfelchen. Fortgeschrieben wird die Krefelder Kreativgeschichte heute am Fachbereich Design der Hochschule Niederrhein. Mit einer 100-jährigen Tradition der Gestaltungsausbildung werden heute schwerpunktmäßig Produkt-, Raum- und Kommunikationsdesigner ausgebildet.
Beitrag von Ulrich Cloos,
Leiter des Fachbereichs Marketing und
Stadtentwicklung der Stadt Krefeld